Klinikstandard: Thromboseprophylaxe: Neue orale Antikoagulantien
Inhaltsverzeichnis
Risikobeurteilung
Risikofaktoren für thromboembolische Komplikationen lassen sich in expositionelle Faktoren (Art und Dauer des Eingriffs, Dauer der Immobilisation, akute Erkrankung) und dispositionelle Faktoren (Gewicht, Alter, genetische Prädisposition) unterteilen. Für die Beurteilung des individuellen thromboembolischen Risikos muss beides berücksichtigt werden.
| Dispositionelles Risiko
(Personenbezogen) |
Expositionelles Risiko
(Erkrankung/OP) |
Kombinierte Risikoklasse | Maßnahmen |
|---|---|---|---|
| keine Risikofaktoren |
|
Niedriges Risiko | Basismaßnahmen |
Einer der folgenden Risikofaktoren:
|
|
Mittleres Risiko | Basismaßnahmen
NMH
|
|
|
Hohes Risiko | Basismaßnahmen
NMH
ATS bis Entlassung |
Anmerkungen:
- Zwischen dispositionellem und expositionellem Risiko ist das jeweils höhere ausschlaggebend für die Einteilung in die Risikoklasse.
- O.g. Tabelle gilt für nicht für Patienten die einer Antikoagulation (z.b. bei Vorhofflimmern) bedürfen.
- Wenn ausschließlich dispositionelle Faktoren zur Eingruppierung "mittleres oder hohes Risiko" führen, erfolgt die Thromboseprophylaxe bis zur Entlassung.
Basismaßnahmen
Die Basismaßnahmen Frühmobilisation, Bewegungsübungen und Anleitung zu Eigenübungen verringern das Risiko thromboembolischer Komplikationen und sollten bei allen Patienten zur Anwendung kommen.
Physikalische Maßnahmen
Anti-Thrombosestrümpfe (ATS) können das Risiko für VTE reduzieren. Die Evidenz für den Nutzen ist im Vergleich zur MTP gering. ATS können allein oder in Kombination mit einer medikamentösen Prophylaxe zur Anwendung kommen. Strümpfe bis zum Knie sind Strümpfen bis zum Oberschenkel für die Prophylaxe nicht unterlegen. Die Risikoreduktion durch ATS ist insgesamt geringer als bei der MTP, allerdings besteht kein erhöhtes Blutungsrisiko und kein Risiko für HIT II. Kontraindiziert sind ATS bei Patienten mit ausgeprägter pAVK.
Medikamentöse Thromboseprophylase (MTP)
Die medikamemtöse Prophylaxe mit nierenmolekularem Heparin reduziert das Risiko für thromoembolische Ereignise um ca. 50%. Der Evidenzgrad ist hoch. Art der Anwendung:
- In der Regel erfolgt die MTP mit dem niedermolaren Heparin Clexane (Enoxaparin)
- Die Dosierung für Patienten mit mittlerem Thromboembolischen Risiko beträgt 20mg
- Bei Patienten mit hohem Risiko beträgt die Dosierung 40mg
Beginn und Dauer der Anwendung
- Die erste Gabe der medikamentösen Thromboseprophylaxe erfolgt bei operierten Patienten 6 – 12 Stunden nach Beendigung des Eingriffs sofern keine Anzeichen für eine Blutung bestehen.
- Bei Anzeichen für prolongierte Blutung (z.B. blutiger Urin nach TUR-P oder Prostatektomie, sinkender HB) kann die Erstgabe ohne relevant erhöhtes Thromboserisiko auf den 1. postoperativen Tag verschoben werden (bis zu 24 Stunden nach dem Eingriff).
- Bei konservativ behandelten Patienten mit Indikation zur MTP sollte die Erstgabe am Abend des Aufnahmetages erfolgen und bis zur Entlassung fortgeführt werden.
- Bei operierten Patienten ist die Dauer der medikamentösen Prophylaxe abhängig vom Fortbestehen der thromboembolischen Risikofaktoren, sollte jedoch für mindestens 7 Tage erfolgen.
- Für große urologische Operationen und Tumorchirurgie an Bauch, Becken und Retroperitoneum sollte die Prophylaxe für 4 Wochen fortgeführt werden.
Patienten mit Niereninsuffizienz
- Bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz (GFR 15-30) beträgt die erfolgt die MTP mit Clexane 20mg unabhängig von der Risikoklasse.
- Bei GFR > 30 ist keine Dosisanpassung erforderlich.
Patienten unter Chemotherapie bei metastasiertem Hodentumor
- Diese Patienten haben ein deutlich erhöhtes Risiko für die Bildung von Thrombosen bis hin zur Lungenembolie.
- Aus diesem Grund erhalten diese Patienten eine Thromboseprophylaxe mit Clexane 40mg 1x täglich für die gesamte Dauer der Chemotherapie.
Kontrolle der Thrombozyten
- Das Risiko für die Entwicklung einer HIT-II bei der Verwendung von NMH beträgt <0,1% daher ist eine routinemäßige Kontrolle der Thrombozytenkonzentration in der Regel nicht erforderlich.
- Bei der Verwendung von unfraktioniertem Heparin liegt das Risiko für eine HIT II bei > 1%. Daher sollte eine Kontrolle der Thrombozytenzahl zwischen dem 5. und 14. Tag nach der Erstgabe erfolgen.
Merkblatt für Aufnahmearzt
Quellen
S3 Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie ; 2. komplett überarbeitete Auflage